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Poetentraum

PoetentraumVon rechts fällt aus der Küchenecke
das Licht mir schräg ins Stübchen rein,
dass schummrig es den Raum bedecke
mit safrangelbem Dämmerschein.

Von links brennt eine Straßenlampe
sich bernsteinfarben in den Store,
dern Glas so prall wie eine Wampe
im sel`gen Augustinerchor.

Und vorne vor der Nase grade,
erzitternd in der linden Luft,
in seines Wachses weichem Bade
ein Flämmchen mit Vanilleduft.

Das sind so ziemlich alle Quellen,
die mir erleuchten mein Papier,
wenn ich, den Musen mich zu stellen,
Gedichte ihnen apportier.

Dass auch aus meiner eignen Birne
ein Fünkchen sich dazugesellt,
hab ich zu sagen nicht die Stirne,
bevor ihr Urteil sie gefällt.

Ich lege meine Meterware
beharrlich ihnen vor das Tor,
dass ihnen einst der Ruf entfahre:
„Nicht übel, Bursche, tritt doch vor!

Die Kunst, mit der du dies gewoben,
macht selbst uns Götterschwestern Spaß –
wenn auch noch fern von der hier oben,
so höher doch nach Menschenmaß.“

Mit einem Herzen zum Zerspringen
trät ich in ihre Hallen ein,
voll Ehrfurcht, ihnen darzubringen,
wofür sie Lorbeer mir verleihn.

Was gäb es dann noch zu verlieren?
Gedichte auf Parnass-Niveau –
und wenn sie damit tapezieren
am Ende nur ihr Musenklo!

Himmlische Kunst

Himmlische KunstDie Brüder hatten einst gut lachen,
die von der Lukasgilde die,
mussten Gedanken sich nicht machen
über das Was – nur übers Wie.

Ein Bischof ließ zu Stuhle bitten,
ein Abt vom Kloster Soundso,
und hingegangen, hingeritten,
gab’s einen Auftrag von Niveau.

Da war ein Tafelbild gefordert,
dass eine Kirchenwand es schmück,
dort hat man ‘nen Altar geordert
mit Flügeln zwei bis drei, vier Stück.

Motive waren vorgegeben,
ein Mustermalbuch war zur Hand –
mit Szenen aus dem prallen Leben
der Bibel und dem heil’gen Land.

Hier neigt mit frisch geschärfter Klinge
sich Abram über seinen Sohn,
dass Gott er ihn zum Opfer bringe –
im Hintergrund naht Rettung schon.

Da finden wir in tiefstem Jammer
Maria unterm Kreuze stehn
sowie die leere Grabeskammer,
die die von Magdala gesehn.

Dazu in tausenden Legenden,
die außerhalb der Schrift tradiert,
die Heil’gen, die so schrecklich enden –
geköpft, gepfählt und blutverschmiert.

Ein Fundus, den beim besten Wühlen
man niemals ganz erschöpfen kann,
nicht an Figuren und Gefühlen,
nicht an Dramatik irgendwann.

‘ne Auftragsarbeit dieser Sorte
wünscht ich mir heute als Poet –
gewiss fänd ich die rechten Worte,
sobald das Thema erst mal steht.

Doch so was wie ‘ne Dichtergilde
hab ich noch nirgends aufgespürt,
schon gar nicht eine, die im Schilde
‘nen Mann des Evangeliums führt.

Und auch die eitlen Potentaten,
die einst belohnt ‘ne Hudelei,
sie wichen längst den Demokraten,
die mit der Börse nicht so frei.

Drum beug ich weiter vorm Parnasse
in Demut meine wunden Knie
und bleibe mangels Lesermasse
bei meiner Kammerpoesie.

Interna

InternaSchon wieder in der Küchenklause,
schon wieder Krug und Kerzenlicht.
Der Musendienst kennt keine Pause,
der Dichter weiß um seine Pflicht.

Doch was soll er den Guten sagen,
das ihnen nicht bekannt schon wär –
wie Eulen nach Athen nicht tragen,
nach Delphi Sprüche, inhaltsschwer?

Er muss um seine Themen ringen,
dass auch den Göttern sie gefalln,
und niemals darauf los nur singen,
um Pillepalle zu beschalln.

So will es ja die reine Lehre
und so des Barden eigner Drang –
doch kommt ihm öfter in die Quere,
dass glücklos sein Ideenfang.

Muss drum die Flinte ins Getreide,
die Feder in ihr Tintenfass?
Oh, hin und wieder finden beide
trotz alledem noch zum Parnass!

Wenn schüchtern erste Worte künden,
dass schon das Opferflämmchen glüht,
dann können leicht sich dran entzünden
die nächsten, dass es voll erblüht.

Und wie wir einen Schneeball rollen,
dass er zur dicken Kugel wächst,
ist zum Gedicht bald angeschwollen,
was anfangs nur dahingekleckst.

Ihr müsst es selbst einmal versuchen,
schreibt irgendeinen Unsinn hin:
„Ein Ticket zu den Musen buchen“ –
am Ende ist ein Knipser drin!

Maßarbeit

MaßarbeitNichts kann ihn aus der Ruhe bringen.
Nichts ihm die Stirn in Falten legt.
Die Gleichung: Machen heißt Gelingen
ist tief ins Herz ihm eingeprägt.

Wer könnte ihm das Wasser reichen,
ihm, einem zweiten Heraklit?
Er hat nun mal nicht seinesgleichen
auf seinem weiten Fachgebiet.

Das, muss man wissen, übern Boden
der ganzen Erde sich erstreckt,
den er mit mancherlei Methoden
ins Zwangskorsett der Maße steckt.

Mit einem Wort – ein Landvermesser,
bedacht auf klare Grenzen stets
und darauf, dass er stets verbesser
den Scharfblick seines Messgeräts.

Doch so im Banne des Präzisen,
das im Kataster kulminiert,
hält er sich für ‘nen Geistesriesen,
in jeder Wissenschaft versiert.

Und würdigt heut mit Gönnermiene
gar ‘nen Maecenas seines Rats
und morgen eine Ballerine
zur Optimierung des Spagats.

Ja, Gipfel der Vermessenheiten:
Er hält auch vorm Parnass nicht an,
mit plumpem Fuße abzuschreiten,
was feiner der des Verses kann.

Wie gehen ihm die Homeriden
so offenbar am Arsch vorbei –
und störn doch nicht den Seelenfrieden
der blinden Besserwisserei.

Wenn einmal er aus dem Gewimmel
der Weltbewohner sich verliert,
hat alle Zeit er, dass den Himmel
er flächendeckend klein kariert.

Übers Verseschmieden

Übers VerseschmiedenDie Neigung, sich zu wiederholen,
verliert sich wohl so richtig nie –
ob Fülln wir sagen oder Fohlen,
es ähnelt sich doch irgendwie.

‘ne Extrawurst für den Poeten
ist von Natur nicht vorgesehn.
Er nimmt wie alle die Moneten,
wie sie durch tausend Pfoten gehn.

Und flutschen sie ihm durch die Finger,
dass ihm der schöne Schatz versiegt,
dann gelten die ihm nicht geringer,
die er von früher wiederkriegt.

Das soll ihm nicht als Freibrief dienen,
sich pausenlos zu variiern
und seine ausgefahrnen Schienen
mit abgestandnem Fett zu schmiern.

Dann muss er eben länger hocken
vor seinem unbeschriebnen Blatt,
um ihm die Zeilen zu entlocken,
die es noch nie vergeben hat.

Ums mal in dem Jargon zu sagen,
der für die Raffgesellschaft steht:
Muss seine Haut zu Markte tragen
in höchster Kundenqualität.

Doch keinesfalls des Vorteils wegen
der Dichter seine Verse feil –
ihm sei nur am Parnass gelegen
und dass er bei den Musen weil!

Kein Lichtblick

Kein LichtblickMond grade schon vorbeigetrudelt,
sah flüchtig noch sein Halbgesicht.
Erspart, dass ich ihm lobgehudelt
laut lyrischer Trabantenpflicht.

Auch sonst da oben tote Hose.
Kein Blümchen auf der öden Au.
Nicht Aster und nicht Herbstzeitlose,
kein Arktur und kein Bärenklau.

Da wär nichts weiter zu besingen
als Finsternis, von Blau entblößt ,
die, wiegend sich auf weichen Schwingen,
gedankenlos die Nacht verdöst.

Dies übern Dächern. Und darunter
des müden Himmels Spiegelbild:
Die späte Stadt kein bisschen bunter
und reglos wie ein Straßenschild.

Ist absolut nix rauszuholen
aus der frugalen Szene heut,
mit Flügelschuhen zu besohlen
den Musengaul, der Leerlauf scheut.

Für diesmal also muss ich passen –
dem Pinsel mangelt’s am Motiv.
Und ungeschrieben will ich lassen
zig Verse fürs Parnass-Archiv.

Da lagern allerdings schon viele,
frei anzusehn: http://,
das Kürzel zu besagtem Ziele,
plus reinerschraderPunktde.

Mehr als Unlust

Mehr als UnlustIch weiß nicht, will nicht, will nicht wollen –
so ist den ganzen Tag mir schon.
Liegt sicher an dem Magengrollen,
Vulgärlatein: Indigeschtjon.

Wie hab ich mir das zugezogen?
Das brummt und grummelt pausenlos,
als käm’s da bald herausgeflogen
wie Magma aus dem Erdenschoß.

Und immer wieder Krämpfe zucken,
der Eruption vorausgesandt,
als würd man an ‘ner Kette rucken,
die mitten durch den Bauch gespannt.

Gefühl der Übelkeit im Rachen,
das bis zum leichten Würgen geht –
doch kurz vorm Eimer stets verflachen
die Wogen der Vomizität.

Allmählich auch den Kopf befielen
die Schmerzen, die nach ihm benannt,
dem Elend in die Hand zu spielen,
das so mich völlig überrannt.

Doch um nicht ganz zu unterliegen
dem rüden Angriff der Natur,
erklomm mit letzter Kraft die Stiegen
ich zum Parnass, zum Musenflur.

Zwei Strophen noch herausgestammelt,
dann warf der Jammer mich aufs Bett.
Hab heut sie wieder aufgesammelt
und, seht, erweitert zum Septett!

Dickhäutige Bauten

Dickhäutige BautenMein Dank gilt heute den Erbauern
von Häusern, die aus einem Guss!
So sitz ich hinter dicken Mauern,
als wär ich wunders weit vom Schuss!

Der Nachbar mag die Laute schlagen,
die Stimme heben wie’n Prophet,
die Wäsche durch die Trommel jagen –
und alles meinem Ohr entgeht!

Tief eingemummt in meine Wände,
die gut gefüttert sind mit Stein,
haus friedlich ich in ‘nem Gelände,
wo selbst die Musen noch gedeihn.

Gerade jetzt zu dieser Stunde,
da längst verblich das Abendrot
und voll die Buden in der Runde,
erscheint der Bau wie mausetot.

Mag manchmal auch am Fernsehn liegen,
weil da ein Straßenfeger läuft
mit Menschen, die krepiern wie Fliegen,
in Strömen frischen Bluts ersäuft.

Doch auch die schrillen Sterbensschreie,
von seichten Krimis produziert,
sie schänden nicht die stille Weihe,
die meine Dichterklause ziert.

Trotzdem gleicht meine Gummizelle
nicht jenem Turm aus Elfenbein.
Doch Stille schafft die grüne Welle,
um rasch auf dem Parnass zu sein!

Nicht entflammt

Nicht entflammtWieso hab ich denn heut vergessen
das Flämmchen, das zum Träumen reizt?
Hab sonst doch, kaum am Pult gesessen,
die Kerze erst mal angeheizt!

Muss als Symptom ich das nicht werten,
dass mein Gedächtnis kollabiert
und sich auf der Erinnrung Fährten
schon die und jene Spur verliert?

Werd jedenfalls im Blick behalten,
wie’s weitergeht mit dem Malheur –
ob ich zum Eisen schon, zum alten,
ob ich zum Schrott bereits gehör.

Wobei, das gilt’s zu überlegen,
man selbst womöglich gar nicht spürt,
wenn auf des Hirns gewundnen Wegen
es immer wen’ger Lasten führt.

Verlässlicher will mir da scheinen,
der Schreibkunst auf den Zahn zu fühln
und zwischen Versfuß-Strophenbeinen
den goldnen Auswurf aufzuwühln.

Solln mir die Musen doch orakeln,
ob wohlgeritten Pegasus
oder, den Zaum ihm abzutakeln,
ich runter von der Mähre muss.

Mag der Parnass höchstselber richten,
was meinem Urteil sich entzieht –
belauschen, wägen und gewichten:
So liegt mein Schicksal denn im Lied.

 

Nachschubprobleme

NachschubproblemeAuf einmal wurd ich wieder munter,
stieg in die Schuh, beim Bett geparkt;
die Sonne ging am Kap schon unter,
ich in den nächsten Supermarkt.

Der Ausflug hatte gute Gründe:
Mein flüss’ger Vorrat war erschöpft,
was, zugegeben, meine Sünde,
da alle Buddeln ich geköpft.

Tyrannenwerk gewissermaßen ?
‘ne Psyche, die so um sich schlägt,
dass keinen lässt sie mit sich spaßen,
weil selbst sie nicht zu lachen pflegt?

Dass da ein Trieb dahintersteckte,
erscheint mir doch sehr zweifelhaft.
Natürlich, dass der Wein mir schmeckte –
wie jeder bessre Traubensaft!

Nein, hehrer war mein Unterfangen,
nicht schnöde Lust bracht es hervor –
denn permanent parnassisch klangen
die Musen mir mit „Sing!“ im Ohr.

Wer wird sich denen widersetzen?
Was Götter fordern, ist Gebot.
Und ihnen nach dem Mund zu schwätzen,
hilft ja der Nektar, weiß und rot.

Zum Glück war er noch auf, der Laden.
Ich schnapp die Flasche mir – und weg!
Ließ meine Fantasie drin baden
ausschließlich, äh, zu diesem Zweck!