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Reisefieber

reisefieberAch, Eile, Eile ist geboten –
drei Strophen, mehr ist heut nicht drin.
Ich pack den Pinsel in die Pfoten
und greife mir ans Grübelkinn.

Doch auf die Schnelle will nichts kommen,
vergeblich ich den Brägen press.
Gedanken, sichtbar schon, verschwommen,
verweigern den Gebärensstress.

Was hilft‘s, wenn ich mich weiterquäle?
Zu hastig und zu viel gewagt!
Zu aufgeregt vorm Flug die Seele.
Drei Strophen – hab ich’s nicht gesagt?!

Meisterklasse

meisterklasseIhr werdet euren Teil euch denken,
indem ihr diese Zeilen schaut:
„Ein Zwischenruf aus Hinterbänken
der Musenkunst: Nicht schön, doch laut.“

Nun ja, die prominenten Plätze
vorn im parnassischen Parkett,
nach ungeschriebenem Gesetze
gehörn sie folgendem Quartett.

Homer vorab gewalt’gen Sanges,
der uns der Feste Fall erzählt
im Epos allerersten Ranges,
dem zur Vollkommenheit nichts fehlt.

Danach Horaz, von heitrem Wesen
und friedevoll bescheidner Art,
der uns in Bildern, auserlesen,
das rustikale Rom bewahrt.

Folgt Dante, aus Florenz vertrieben,
der Beatrice nur begehrt
und aus der Hölle sich geschrieben
ins Licht, in dem er sie verklärt.

Den Vierten im illustren Bunde,
den auch als Avons Schwan man kennt,
führt heute jedermann im Munde,
der schwatzend auf Zitate brennt.

Die reimt man aus den ersten Reihen
beim besten Willen nicht mehr raus.
Der Spätren Verse: Stammeleien
aus des Parnasses Hinterhaus.

Doch kann mich das nicht so verdrießen,
dass fad mir würd der Musenkuss –
lass weiterhin die Zügel schießen
dem ungestümen Pegasus.

Und hab ich nicht ein Recht zu krakeln,
da sonst das Los mir nichts verlieh
und nur beim geist’gen Fingerhakeln
ich mal ein Verschen rüberzieh?

Drum fragt nicht, lest ihr diese Zeilen,
wie fern sie der Quadriga wohl –
seht zu den Musen wen nur eilen,
dass er ein Lorbeerblatt sich hol!

Ladehemmung

ladehemmungWie quäl ich manchmal mich beim Schreiben,
zerr Wort für Wort mir aus dem Hirn.
Salamitaktik. Dünne Scheiben.
Verstopfung hinter Denkerstirn.

Es mag ja alles locker scheinen,
was fertig ich hier vor euch leg,
doch reich an Dornen und an Steinen
(barockes Bild) der Dichterweg.

Das quillt nicht ständig aus der Feder,
wie’s aus der Brunnenröhre fließt,
zieht auch periodisch nicht vom Leder
wie’n Geysir, der ins Blaue schießt.

Ein Rinnsal, das auf Spinnenfüßen
sich zittrig durch die Wüste stiehlt,
am Ende glücklich zu begrüßen
das Meer, auf das es abgezielt!

Erkenntnis: Mangelt es an Masse,
hilft meistens auch Beharrlichkeit –
man geht noch mal zur Musenkasse,
dass Pegasus man länger reit.

Nicht alles rundum wohl gelungen?
Nicht jeder Kantus erste Wahl?
Ach, in der Dichtung Niederungen
verirrn auch Größre sich einmal…

Das bisschen, das mir gut geraten,
erscheint der Mühe mir schon wert –
zwar eh’r ein seltner Opferbraten,
doch der die Muse doppelt nährt.

Heute wird’s mir mal besonders sauer,
dass beinah ich die Lust verlier –
ich lieg wie’n Waidmann auf der Lauer
und krieg nur Böcke ins Visier.

Der Tagesform gewohntes Schwanken,
das heut mich kürzer treten heißt?
O nur zu denken den Gedanken,
dass mir schon schwinden Kraft und Geist!

So vieles hätt ich noch zu sagen
sub rosa unterm Reimgerüst,
dass ich in künftgen Erdentagen
nicht einen einz’gen schweigen müsst.

Dies kann das Schicksal doch nicht wollen,
vergeuden, was noch viel verspricht!
Mag es auf andre Art mir grollen,
nur mit Entzug der Zunge nicht!

Nun ja, heut war’s ’n Schuss in’ Ofen.
Parole dennoch: Hoch den Kopf!
’ne Stunde fast fürn Dutzend Strophen –
kommt nicht mehr vor: Auf Holz ich klopf.

Nachlassender Schmerz

schmerzmittelHeut ergriff am Kiefer mich,
ach, ein dumpfer Schmerz,
der gefühlvoll weiterstrich
mund- und rachenwärts.

Und dass dieser nicht allein
seinen Dienst verseh,
tat mir überm Nasenbein
auch die Birne weh.

Doch da Gutes, wie bekannt,
dreifach stets erscheint,
hat ein Schnupfen sich galant
mit dem Paar vereint.

Ergo von des Tags Beginn
bis zum Abend spät
gab ich mich dem Wunder hin
dieser Trinität.

Weder ich den Pfaffen rief
noch den Medikus,
schien mir doch so intensiv
gar nicht mein Verdruss.

Schließlich half ein Elixier,
das geschluckt ich brav
und zu meinem Grand Plaisir
gleich ins Schwarze traf,

Wo‘s mit dem Zweischneidenschwert
chemischer Natur
unverzüglich in den Herd
meiner Leiden fuhr.

Glücklich auch die Schlacht gewann
gegen das Malheur,
dass der Sorge ich entrann
ohne Buschs Likör.

Doch auch leidlich kummerfrei,
wie ich mich nun fand,
wär wohl, dacht ich, nichts dabei,
hätt ich Wein zur Hand.

Und begoss vertilgtes Weh
mit besagtem Saft –
mazedonischem Rosé,
alexanderhaft.

Ja, der Knoten war zerhaun
und ich wieder fit –
wie im Nebel nur zu schaun,
was ich grad noch litt.

Heller schien die Sternennacht,
prächt’ger mir der Mond,
wie ich lange noch gewacht,
länger als gewohnt.

Inventur

inventurIhr kennt euch ja bei mir schon aus,
ihr, meine treuen Leser,
in diesem Winkel, wo ich haus
als Mini-Reichsverweser.

Das Lämpchen lächelt süß sein Licht
auf meinen weißen Bogen,
wenn nach erfüllter Arbeitspflicht
ich Puschen angezogen.

Im Glase funkelt rosenfarb
des Bacchus heil’ge Rebe,
die ich profanen Kaufs erwarb,
doch scheu zum Munde hebe.

Vom Kupferkrug, der Wasser hält,
mit dem ich jene strecke,
ein Schatten Richtung Flasche fällt
auf der karierten Decke.

Die Heizung … nein, die hab ich schon
euch früher mal besungen,
heut komm, als eurer Treue Lohn,
ich nur mit Neuerungen.

Die Dosen stehn wie eh und je,
schneeweiß mit schwarzen Lettern,
nach Kaffee duftend oder Tee
auf schrankgestützten Brettern.

Wie eh der Kerzenwürfel wähnt,
dass er zum Leuchten tauge,
und weiter winz‘ge Perlen tränt
aus trübem Flammenauge.

Den guten alten Henkelmann
will ich euch eigens nennen,
weil ich mir lebhaft denken kann,
dass wen’ge ihn noch kennen.

Na, und so weiter und so fort
des Bürgers ganz Gerümpel.
So ist’s bei mir zu Haus an Bord,
wo um mich selbst ich dümpel.

Verzeiht, wenn ich gelegentlich
die Dinge wiederhole.
Doch drehn nicht auch die Sterne sich
um ihre ew’gen Pole?

Mein Kochtopf ist mir Meteor,
mein Bügeleisen Schnuppe,
der ganze Küchenkramkomfort
gleich ’ner „lokalen Gruppe“.

Die Ewigkeit im Augenblick –
zu greifen fast mit Händen.
Wär da die Uhr nicht mit dem Tick,
ihn ständig zu beenden!

Flagge zeigen

flagge-zeigenJetzt will ich’s endlich wissen,
es reizt mich sehr,
auf dem Parnass zu hissen
’ne Flagge mehr!

Dem Musensitz entreißen
ein Eckchen wo
und Gipfelstürmer heißen
wie Kleist und Co.!

Mit Pegasus alleine
kommt man da hin,
drum mache ich ihm Beine
und fleißig bin.

’ne Strophe will ich schaffen,
so nagelneu,
dass die sie selbst begaffen,
die lyrikscheu.

Nach Art von Sapphos Oden,
fernab der Norm,
fernab von allen Moden
als eigne Form.

Seht selber: Wie am Schnürchen
gelingt es hier.
Erst sieben fürs Figürchen
und dann noch vier.

So simpel ist Kreieren
per Silbenzahl.
Fast möchte ich’s probieren
ein zweites Mal.

Doch ja nichts übereilen –
erst dies vollbracht,
wenn man mit frischen Zeilen
Furore macht!

Die Form, sie steht. Verplomben!
Und: Heureka!
O hätt ich Hekatomben
von Ochsen da!

Ein Name muss noch schmücken
die Novität,
um griffig auszudrücken,
worum es geht.

Der „Elferjambus“ wäre
dafür Garant –
drum sei er mir zur Ehre
auch so benannt!

Gebongt. Und übergeben
der Dichterwelt.
Erfülle ihn mit Leben,
wem er gefällt!

Doch will ich‘s Feld nun räumen –
– getan mein Werk -,
im Bette noch zu träumen
vom Musenberg.

Abnutzungserscheinungen

abnutzungWie ist mir alles das vertraut,
als lebte ich hier seit Äonen!
Dies ganze Fleckchen, zugebaut
mit Plunder, um darin zu wohnen.

Seit ewig glotz ich auf die Wand,
will ich die flücht’gen Stunden zählen
auf dieser Uhr mit rotem Rand,
die darauf brennt, mir Zeit zu stehlen.

Und auf dem Trumm von einem Schrank,
gekauft, dass er der Kühlung diene,
steht sicher wie Britanniens Bank
seit Jahrn die Kaffee-Tee-Maschine.

Der Vorhang war mal dernier cri
aus feinstem finnländischen Leinen,
indes sein Muster: Federvieh,
heut stelzt auf fadenschein’gen Beinen.

Nicht anders das Gewürzregal,
gedübelt an die Kachelseite –
ein Schmuckstück anno dazumal,
als Hugo seine Frieda freite.

Der Roten Klara Einzug auch
muss wohl noch vor der Sintflut liegen-
es ist ja längst die Lasche Brauch,
um so ’ne Büchse aufzukriegen.

Das Radio selbst, modern und schmuck,
ja, futuristisch anzuschauen
in seinem kühlen Klinker-Look,
erfüllt mich schon mit Urvertrauen.

Und diese Stühle-Troika,
die wechselweise ich besetze,
sie ist seit Olims Zeiten da,
dass ich mir drauf den Hintern wetze.

Nicht zu vergessen ihn, den Herd,
der hier vom ersten Tag vorhanden
und wohl mit dem Dreiflammenschwert
im Paradiese schon gestanden.

Die Heizung zischt ihr ödes Lied,
ich glaub, seit Anbeginn der Welten,
dass mir schon ein Monteur beschied,
sie müsse als ein Wunder gelten.

Der Boden, dicht an dicht besät
mit kleinen steinernen Quadraten,
durch manchen Knick und Riss verrät,
dass aus den Fugen er geraten.

Und dass du morsch, mein Mobiliar,
das könnt ich noch mit Fassung tragen,
doch nicht, dass ich genauso war,
so frisch in deinen Jugendtagen!

Aus allen Küchenwinkeln quillt
Vertrautes mir, vermischt mit Grausen –
es scheint mein eignes Spiegelbild
in jedem Gegenstand zu hausen.

Die Klitsche hier mal aufpoliern,
weg mit dem ganzen Plünnenhaufen?
Nicht schwer, sie anders zu möbliern –
doch wo kann Zeit man neu sich kaufen?

Wetterfest

wetterfestWenn ich so still im Stübchen sitze,
vertieft in meine Fantasie,
schern mich nicht Regen, Sturm und Hitze
hinter der Scheibe vis-à-vis.

Mag Schnee sich auf die Dächer senken,
mag Hagel prasseln auf den Steig,
ich hocke zwischen Tisch und Bänken
und alln die kalte Schulter zeig.

Wie warm warn gestern noch die Schauer,
und heute Luft, zu Reif erstarrt!
Der Wechsel macht die Milch nicht sauer,
hat schließlich auch schon so ‘nen Bart.

Ist nicht die Bude, wo ich wohne,
für Wetterlaunen streng tabu?
Die kümmern mich nicht mal die Bohne,
hab ich nur alle Luken zu.

Und knips ich in den Abendstunden
mein Lämpchen mir als Sonne an,
an welchen Winter bin gebunden,
an welche Witterung ich dann?

Der Kühlschrank summt gleich Myriaden
Insekten überm Blütenmeer,
die trunken in den Düften baden,
in Wollust wogend und Begehr.

Und führ das Gläschen ich zum Munde,
entströmt es ihm so mild und fein,
als läg nicht weit hier in der Runde
tatsächlich auch ein Blumenhain.

Und dann die wohl’gen Temp’raturen!
Nichts schändet hier die heile Haut.
Kein Schweiß zieht seine Perlenspuren,
kein Frost sensible Hände raut.

Kurzum, die Jahreszeiten herrschen
auf eigne wetterwend’sche Art –
doch nach den neuesten Recherchen
schon längst vor unsrer Gegenwart!

Eher bodenständig

eher-bodenstaendigHier hock ich in der Küche Schweigen
und überschau mein bisschen Welt;
paar Meter im Quadrat mein eigen,
mit lauter Krimskrams vollgestellt.

Das Übliche, was so zum Leben
man eben immer um sich hat:
Ein Tisch mit Stühlen rings daneben,
’ne Uhr mit schwarzem Zifferblatt.

Ein Kühlschrank, Proviant zu fassen,
ein Herd, der ihn in Wallung bringt,
‘ne Handvoll überflüss’ger Tassen,
die scheppernd mit den Lastern schwingt.

Ja, nicht mal ’ne Zitronenpresse
geht meinem Superhaushalt ab.
Wo Kümmel dorrt und Brunnenkresse,
verstaubt seit Jahren sie im Schapp.

Auch Brote sauber zu zerlegen
hab ich das passende Gerät.
Grad neulich erst beim Schrankausfegen
hab hinterm Mixer ich‘s erspäht.

Und dies und jenes in den Spinden
an nichtigem Brimborium.
Ihr werdet’s selber bei euch finden,
schaut ihr euch gründlich einmal um!

Doch außerhalb auch dieser Mauern
setzt sich der morsche Alltag fort:
Die Häuser drüben, sie versauern
wie ich am ewig selben Ort,

Und hinter strahlenden Fassaden,
in Höhlen, mystisch gelb erhellt,
die gleichen prall gefüllten Laden,
der gleiche Plunder, der verfällt.

Ein Toaster, der zu goldnen Scheiben
die weizenweiße Masse bräunt,
Karotten- und Kartoffelreiben
und mancher andre Hausfraunfreund.

O wär ich mutig, es zu wagen –
zu neuen Ufern, neuem Sinn!
Zerhauen all das Zeug, zerschlagen,
und einfach weg, woanders hin!

Doch kleb ich an der Küche Schweigen
wie eine Fliege am Papier.
Dezember schon im Monatsreigen.
Das Jahr vergeht. Ich bin noch hier.

Im Rhythmus der Routine

rhythmische-routineDes grauen Tages graues Ende.
Ein Herr nimmt seinen Stammplatz ein.
Rings um ihn Kacheln, Küchenwände.
Es ist halb zehn. Er ist allein.

Er hat das Blatt schon ausgebreitet.
Er wiegt den Schreiber in der Hand.
Er senkt ihn, dass er sutje gleitet
vom linken bis zum rechten Rand.

Jetzt hat er etwas schon geschrieben.
Das Blatt ist nicht mehr völlig leer.
Ein Brief? Vielleicht an seine Lieben:
“Ich grüße und vermiss euch sehr“?

Nein, nichts von solchen trauten Zeilen.
Was er da schreibt, ist ein Gedicht.
Gedanken, um uns mitzuteilen,
was seine Muse durch ihn spricht.

Es scheint ihm daran nicht zu fehlen
noch an den Worten, ihrem Kleid.
Er hat ‘ne Menge zu erzählen.
Und jetzt am Abend auch die Zeit.

Nicht, dass er wie besessen wäre
und trunken nur vom Musenkuss;
er gießt von Zeit zu Zeit die Beere
des Bacchus in den Redefluss.

Der Fantasie kommt dies entgegen.
Der Dünger lässt sie üppig blühn.
Und um der schönen Verse wegen
muss sich der Barde wen’ger mühn.

Die Stunden ticken träge weiter.
Die Sterne rücken leise vor.
Wann trennt des Flügelrosses Reiter
sich endlich von Papyr und Rohr?

Jetzt hat er wohl zu viel des Guten.
Jetzt schlägt des Nektars Wirkung um,
verlaufen sich die Bilderfluten,
macht A und O den Rücken krumm.

Da hat er‘s selber eingesehen,
da macht er rasch den letzten Strich.
Erhebt sich, um zu Bett zu gehen.
Ganz unter uns: Der Herr bin ich.