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Still ruht der See

Sie zählen sicher nach Millionen,
die ehrlich den Entschluss gefasst,
im neuen Jahre nachzuholen,
was sie zu tun bisher verpasst.

‘ne Kleinigkeit nur im Verhalten,
die andern doch ins Auge sticht,
jetzt endlich einmal abzuschalten,
dass man erscheint in bessrem Licht.

Da gibt’s natürlich tausend Dinge
in diesem Riesenwunschpaket,
dass ich erst gar kein Beispiel bringe,
weil jeder weiß, wovon ich red.

Doch wenn so viele sich vereinen
im festen Willn zur guten Tat,
müsst schnell uns wärmer nicht erscheinen
der Globus in gefühlten Grad?

Nein, wenn wir so das Weltgeschehen
betrachten in besagter Frist,
die alten Hähne weiterkrähen
auf ihrem alten Haufen Mist.

Als Schlichter großer Streitigkeiten
sind Keulen nach wie vor begehrt,
die, so das Fazit aller Zeiten,
doch die Konflikte nur vermehrt.

Und was wir für die Umwelt machen,
die schleichend aus dem Ruder läuft,
es ist so dürftig, dass vor Lachen
in seinen Tränen man ersäuft.

Wann immer der Vernunft wir trauen,
spielt unser Bauch uns einen Streich.
Luftschlösser kann gewiss sie bauen,
doch kein vernünft’ges Erdenreich!

Meerschaum

Die Weihnacht weiß, von der wir träumen
in unsrer raueren Region,
ist südlich an den Meeressäumen
gewiss die größre Illusion.

Hier reicht das beste Thermometer
kaum an den Nullpunkt mal heran,
was leicht man auf die Gründungsväter,
die Sonnengötter, schieben kann.

Dies kommt der Krippe auch viel näher,
in der man Jesus einst gewiegt –
da hat der neugeborne Kräher
schon reichlich Wärme abgekriegt.

Das mit dem Schnee und Frost, dem bittern,
passt eher ja zum Norden auch,
wo wir seit je Geschichte klittern,
dass sie ins beste Licht uns tauch.

Doch nicht mal an der Sonnenküste,
wo keinesfalls man glaubensträg,
als Wunder man es werten müsste,
wenn wo ein weißer Teppich läg.

Dahinter schon, in höhren Lagen,
für jeden sichtbar weit und breit,
die Berge gerne Häubchen tragen
zu ihrem schlichten Winterkleid.

Doch unten, wo ein schmaler Streifen
des Flachlands von der Flut sie trennt,
die Spatzen ’s von den Dächern pfeifen,
dass rund ums Jahr die Sonne brennt.

Und wie ich so gemütlich sitze
und über meinen Versen brüt,
empfind auf einmal ich die Hitze,
die durch die Fensterscheibe glüht.

Da läuten auch die Weihnachtsglocken
vom Kirchlein gegenüber her.
Und hinten gleich, in dichten Flocken,
stiebt Gischt bisweilen übers Meer.

Feier mit Tafelmusik

Im Strandlokal war tote Hose.
Ein Samstag und kein Publikum.
Der Kellner schlug in Heldenpose
sich nur mit seiner Muße rum.

Am Tisch ganz hinten in der Ecke,
da hockte immerhin noch wer –
vier Turteltäubchen, dern Genecke
klang fröhlich manchmal zu uns her.

Zur linken Hand ein Paar sich beugte
vertraulich übern Tellerrand
und großen Appetit bezeugte
für dessen reichen Fischbestand.

Das war’s schon an beherzten Wesen,
die heut nach draußen sich gewagt,
und nicht allein zum blanken Tresen,
an dem kein Wind und Wetter nagt.

Nein, auf das vordere Gelände,
wo man ein Feuerchen geschürt,
doch trotz der Plastikplanen-Wände
die Launen der Natur verspürt.

Der Sturm, er zerrte an der Plane,
dass sie sich beulte und sich bog
und flatterte wie eine Fahne,
die wütend an der Stange zog.

Und ließ dabei ein Heulen hören
wie Wölfe in der Winternacht,
wenn sie Gemeinsamkeit beschwören,
wie nur der Hunger sie entfacht.

Und in die kleinen Zwischenpausen,
wenn er nur kurz mal Luft geholt,
warf sich der Brandung dumpfes Brausen,
auf Steigen und auf Sturz gepolt.

So ein Gedröhne um die Ohren
war mir willkommener Besuch;
bin an dem Tag ja grad geboren
und schrieb ihn gern ins Gästebuch.

Zumal er sich die Mühe machte,
dem Anlass Nachdruck zu verleihn;
das Ständchen, das er mir da brachte –
es wird mir unvergesslich sein!

Gut beschirmt

Bin ich kein pfiffiger Geselle
(nach Alter längst im Meisterstand),
dass ich mal eben auf die Schnelle
‘ne Lücke in den Wolken fand?

Doch trotzdem nicht den Schirm vergessen,
denn Regen ist ja prophezeit
und schon im Voraus streng vermessen:
Am Boden fast zwei Finger breit.

Indessen konnte ich frohlocken –
in dem Moment kein Tröpfchen fiel,
so brachte ich uns beide trocken
vom Wind geföhnt ins Domizil.

Doch oben in den Wolken braute
und brodelte es kolossal,
dass ich verstand, warum es saute
hier unten über Berg und Tal.

Die Brandung ließ sich auch nicht lumpen,
sie brüllte wie ein Kinderschreck
und blies, wie’s Zecher tun beim Humpen,
den Schaum sich von der Kimme weg.

Ein Wetter, um es zu verfluchen.
Ein Wunder, dass es mich verschont.
Ich will doch gleich nach Fällen suchen,
die gleicherweise ungewohnt!

Ergebnis meiner Blitzrecherche:
Der Auszug aus Ägyptenland.
Mit Moses viele Tagesmärsche –
und dann die hohe Wasserwand!

Doch freundlich haben sich die Fluten
für diese Flüchtenden geteilt,
dass ohne Schiffe, ohne Schuten
sie glücklich ihrer Fron enteilt.

Nun, eines guten Gottes Walten
schließ ich in meinem Falle aus.
Doch dumpf die Tropfen widerhallten,
kaum hatte ich den Fuß im Haus!

Gipfeltreffen

Der Mensch mit seinen Eskapaden
als Herr in diesem Erdenhaus,
ist blind indessen für den Schaden
am Sockel des sensiblen Baus.

Als ob’s nicht kurz vor zwölf schon wäre
für den gebeutelten Planet,
bläst weiter in die Atmosphäre
er seinen Dreck von früh bis spät.

Der Globus fiebert, Gletscher schmelzen,
der Meeresspiegel steigt rasant,
und immer höhre Wogen wälzen
gefräßig sich ins Küstenland.

Den Feldern aber fehlt die Feuchte,
der Sprössling, eh er wächst, verdorrt,
und wo man dringend Regen bräuchte,
herrscht Sonnenschein in einem fort.

Wie müssten da die Glocken schrillen,
dass aus dem Schlummer man erwacht
und mit global geballtem Willen
dem Übel endlich Beine macht!

Und wirklich, unsre Volksvertreter
beteuern ihre Kompetenz
und gehn, mobile Unkrautjäter,
auf jede Umweltkonferenz.

Das tun seit Jahrn sie mit Routine
und mit dem gleichen Resultat:
„Hier unsre neuesten Termine –
bis x Begrenzung auf x Grad!“

‘ne Absicht, die Papier geblieben.
Mit Taten kommt man nicht voran.
Ist man gewillt, sie aufzuschieben,
bis eh man nichts mehr retten kann?

Das würde weit man von sich weisen:
„Wir haben vieles schon erreicht“ –
die edle Kunst, sich selbst zu preisen,
fällt diesen Leuten ja sehr leicht.

Doch neulich auf dem letzten Treffen,
den müden Machern da zum Hohn,
sprach, ohne Heuchler nachzuäffen,
die Wahrheit wer ins Mikrofon.

‘ne Dame im Ministerrange,
die Deutschland offiziell vertrat,
die zierte sich nicht erst noch lange,
als um ein Statement man sie bat.

Die Ziele sind nicht zu bestreiten:
Wir alle kennen die Gefahr.
Vor allem wolln wir vorbereiten
den Gipfel schon im nächsten Jahr.

Der fröhliche Zecher

Mal unter uns gesagt, ihr Lieben,
Vertreter beiderlei Geschlechts,
der Wein, dem heut ich mich verschrieben,
stammt aus Navarra, oben rechts.

Und da ich nichts auf Herkunft gebe,
aus welcher Gegend, welchem Gau,
ich vielerlei vergorne Rebe
dem trocknen Gaumen anvertrau.

Ganz falsch hab ich noch nie gelegen.
Bin ich nicht wählerisch genug
oder empfind ich schon als Segen
nur Brennstoff fürn Gedankenflug?

Dann könnt ich ja auch Gin mir schnappen
und Ähnliches von zig Prozent –
schon würde es genauso klappen
und schneller, als das Wiesel rennt!

Doch das nur über meine Leiche!
Man gibt das Zepter aus der Hand:
Und statt genialer Geistesstreiche –
ein sich verdüsternder Verstand!

Ich werd dem Wein die Stange halten
aus welchem Winkel auch der Welt
und ohne Ehrgeiz zu entfalten,
dass ich dereinst als Kenner gelt.

Ich hab ja auch noch nie gelitten
an Folgen irgendwelcher Art,
denn dieser Saft ist unbestritten
der beste für die Musenfahrt.

Nur einmal ist mir schlecht geworden
als Opfer meiner eignen Gier,
grad in Pamplona, grad im Norden –
da war’s indes das zehnte Bier.

Auf einer Welle

Wie häufig diese gleiche Strecke
ich heute wohl gegangen bin –
vierhundert Meter um die Ecke
und dann noch mal im Gegensinn?

Man muss ja raus, um einzukaufen
und sich das Nötigste zu holn,
bedächtig wie beim Eierlaufen,
nicht hopp! wie über heiße Kohln.

Auch gehe ich nicht unbegleitet,
worauf ich großen Wert hier leg,
denn treu mir an der Seite schreitet
das Meer auf diesem ganzen Weg.

Und wenn ihr meint, es würde schweigen
so stumm wie ein verkrachtes Paar,
i wo, aus seinem Bauche steigen
die Worte rasch und wandelbar!

Mal murmelt es in dumpfem Tone
Geheimnisse aus seiner Welt,
so etwa, dass Poseidons Krone
schon hier und da der Rost befällt.

Dann gluckst es mit ersticktem Lachen,
weil plötzlich es ein Seepferd sieht,
wie gleichsam es mit hundert Sachen
vor einer Sattelrobbe flieht.

Ich werd nicht müde, ihm zu lauschen,
wenn es Interna mir verrät
und aus dem hintergründ’gen Rauschen
ein leicht verschwommnes Bild entsteht.

Ein Ausschnitt nur aus diesen Weiten,
in die das Wasser sich verläuft,
doch mehr als man beim Wellenreiten
an Wissen auf sein Brettchen häuft.

Als ob das wirklich hier verfinge!
Vor dieser Flut sind alle klein.
Und wenn ich zehnmal täglich ginge:
Ein Tropfen auf den heißen Stein…

Weltspitze

Entsprechend dem Geräuschkataster
für alle Winkel dieser Welt
errang die Krone sich dies Laster
hier, wo man’s für verzeihlich hält.

Und dieses Hier ist das Ambiente
mit Sonne, Palmenstrand und Meer,
wo schon seit Jahren meine Rente
in milden Wintern ich verzehr.

Müsst ich nicht glücklich sein inmitten
von Menschen solcher Sportlichkeit,
die einen Lorbeer sich erstritten,
nach dem die ganze Erde schreit?

Doch komme ich aus einem Lande
und da auch noch aus einem Ort,
wo diese Disziplin am Rande
man pflegt nur statt als Massensport.

Das muss kein Hindernis bedeuten!
Ich hör noch mal genauer hin –
es liegt wohl wen’ger an den Leuten
als mir, der ich empfindlich bin.

Und prompt zerriss die Morgenstille
ein Hammerschlag von nebenan,
dass selbst der Wecker sich, der schrille,
dahinter noch verstecken kann!

Dann folgten viele weitre Schläge,
die ähnlich kraftvoll ausgeführt,
dass ich zur besten Nervensäge
das Instrument sofort gekürt.

Doch kaum war nach gefühlten Stunden
der letzte Nagel eingerammt,
schlug meinen Ohren neue Wunden
ein Lärm, der aus dem Flur gestammt.

Das war der Trupp der kleinen Kinder,
der müd sich noch die Augen rieb,
indes wie eine Herde Rinder
man hopp! ihn in die Schule trieb.

Die Kleinen aber kaum zu hören,
nachdem die Türen zugeknallt,
doch umso kräftiger das Röhren
der Mütter mit Befehlsgewalt.

Ein Kreischen und ein Kommandieren
wie nur auf dem Kasernenhof!
Das ging mir mächtig an die Nieren,
da zu der Zeit ich gern noch pof.

Zum Glück nach kurzer Zeit vorüber.
Ich zählte grad mein letztes Schaf,
als ich erkannte, dass viel trüber
die Aussicht auf gesunden Schlaf!

Noch schlimmer als die beiden Nummern
mit dem Gehämmer und Geschrei,
versaute es mir einzuschlummern,
die Lautvariante Nummer drei.

Denn jäh die Nachbarn drauf verfielen,
noch eh erreicht ich Phase REM,
das turbulente Spiel zu spielen
„Die Reise nach Jerusalem“.

Ich glaub, mich darin nicht zu täuschen,
wenn ich mir auch kein Bild gemacht,
denn nach den steten Schleifgeräuschen
kam wohl nur dieses in Betracht.

Stühlegerück für starke Nerven.
Es schien, man sprang abrupt vom Fleck,
sich auf den nächsten Stuhl zu werfen,
und stieß dabei den alten weg!

Wer in der Bude gleich darunter
akustisch freien Zugang hat,
der wird mit einem Schlage munter
und hat sehr schnell das Spielchen satt!

Ach, wär der Lärm mir so zuwider,
dass ich ihn hier zu fliehn geneigt,
dann ließ ich mich am besten nieder
im Norden, wo man lieber schweigt.

Womöglich grade bei den Finnen,
die, ohne dass es quietscht und kracht,
ganz still, sie sagen rauhallinen,
es auch zur Meisterschaft gebracht.

Doch wer wird sich schon überwinden
zu so ‘ner Winter-Pferdekur?
Frost wird und Finsternis man finden
und nichts von span’scher Frohnatur!

Wasser marsch!

Selbst in den Paradiesesschänken
schenkt man nicht reinen Wein nur ein,
der Herrgott, hier als Wirt zu denken,
pantscht öfter auch mal Regen rein.

Mit andren Worten: Wermutstropfen,
die manchen Erdentag vergälln,
indem sie an die Scheiben klopfen,
um feuchte Grüße zu bestelln.

So ging es achtundvierzig Stunden
sogar am Stück, in einem Guss,
zwei ausgewachsne Globusrunden
voll überflüss’gem Überfluss.

‘ne Meinung, die nicht alle teilen
(das geb ich unumwunden zu),
die als Bewohner hier verweilen
vom Urschrei bis zur Grabesruh.

Denn nach dem höllisch heißen Sommer,
der noch den letzten Halm versengt,
freut man natürlich sich noch frommer
des Himmels, der die Felder sprengt.

Die rosarote Sonnenbrille,
die der Tourist vors Auge klemmt,
verkleinert eher die Pupille
und seinen Blick ins Weite hemmt.

Der Herr vom Lauter-Krimskrams-Laden,
der auch mein Wochenzeitungsmann,
beschwor mit Leidenschaft den Schaden,
den zu viel Sonne stiften kann.

Ich war ihm mitten aus ‘nem Schauer
in seine Bude reingeschneit
und fühlte mich nicht grad als Bauer,
der „Regen, Hosianna!“ schreit.

Doch tropften seine weisen Worte
mir auch nicht ab vom Trommelfell,
ich ließ sie ein durch diese Pforte,
dass ich dem Hirn sie überstell.

Inzwischen brütet längst schon wieder
die Sonne auf dem Erden-Ei,
die Strahlen breitend als Gefieder,
dass es auch trocken gut gedeih.

Wieder reisefertig

Da liegt er, voll bis an die Kante,
wie’s für ‘nen Koffer sich gehört
‘ner maskulinen Reisetante,
die auf den ganzen Plunder schwört.

Er wird aus allen Nähten platzen
(wo ist ‘ne Lücke für die Schuh‘?),
doch kann mich das nur wenig kratzen,
Hauptsache ist, er geht noch zu.

Nun lungert er in seiner Ecke
und plustert sich in einem fort,
weil er für eine gute Strecke
den nötigsten Bedarf an Bord.

Indes ich meine letzten Zeilen
noch in der alten Bleibe zieh,
der, ohne seine Lust zu teilen,
ich morgen für ‘ne Zeit entflieh.

Was aber treibt mich in die Ferne?
Ob dieser Trip sich wirklich lohnt?
Leuchten bengalisch da die Sterne,
durchglüht die Nacht ein blauer Mond?

Brennt da nicht auch in hohem Bogen
und stets in einer Richtung nur,
den Leib von Flammen überzogen,
die Sonne sich durch den Azur?

Und sind es nicht die gleichen Blüten,
verschwenderisch im Land verteilt,
die ängstlich das Geheimnis hüten
vom Leben, das nur kurz verweilt?

Um von den Gipfeln ganz zu schweigen,
die buckelig im Schulterschluss
nicht in wer weiß wie Höhen steigen,
dass Ehrfurcht man empfinden muss.

Doch wenn mit seiner feuchten Zunge
das Meer am nahen Strande leckt
und mit des Sturms gewalt’ger Lunge
dich nächtlich aus den Federn schreckt,

Kannst du den Unterschied erlauschen
von Regen, der aufs Pflaster schlägt,
und einer Brandung, deren Rauschen
ein einz’ges Donnern unentwegt!