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Kundschaft bitte!

Im Strandlokal gleich um die Ecke
war wieder mal der Teufel los;
von der Terrasse bis zur Hecke
saß man sich fast schon auf dem Schoß.

Und wie ein Schwarm von Bienen summte
das gut gelaunte Publikum,
sodass auch dieser Laden brummte
im Wettstreit mit dem Meer ringsum.

Der Kellner, ständig auf den Hachsen,
gewiss gewünscht sich haben muss,
acht Arme wären ihm gewachsen
wie dem gegrillten Oktopus.

Er saust mit Teller, Glas zur Küche
und saust mit Teller, Glas zurück,
im Schlepp die lieblichsten Gerüche
als Vorspiel für das Gaumenglück.

Kein Wunder: Nur zufriedne Mienen.
Der Bursche ist sein Trinkgeld wert.
Im Übrigen: Was für Sardinen,
hat je man zartere verzehrt?!

Und manchmal schiebt mit kurzem Schwunge
sich auch der Wirt von Tisch zu Tisch
(„Alles in Ordnung mit der Zunge?“),
dass er sich Komplimente fisch.

Mehr Worte muss er nicht verlieren,
bevor man sich bemüßigt fühlt,
gefällig dem zu applaudieren,
was morgen schon im Magen wühlt.

Die Freude schien mir ungezügelt
beim Wirt genauso wie beim Gast –
was aber hat den Boom beflügelt,
der über Nacht geboren fast?

Denn wie ich deutlich mich entsinne,
und lange ist das noch nicht her,
da ging dem Erstren bis zum Kinne
das Wasser – doch nicht das vom Meer.

Auf der geräumigen Terrasse
sah es meist leer und trostlos aus
und so auch mangels Menschenmasse
im großen Garten hinterm Haus.

Gern hab ich da als Einzelgänger
in einen Winkel mich gedrückt
und desto lieber auch, je länger
mir niemand auf den Pelz gerückt.

Mag es des Wirts Geheimnis bleiben,
warum jetzt alles auf ihn schwört.
Ich frag mich, ob beim Verseschreiben
man auch von so was schon gehört?

Auf einer Welle

Wie häufig diese gleiche Strecke
ich heute wohl gegangen bin –
vierhundert Meter um die Ecke
und dann noch mal im Gegensinn?

Man muss ja raus, um einzukaufen
und sich das Nötigste zu holn,
bedächtig wie beim Eierlaufen,
nicht hopp! wie über heiße Kohln.

Auch gehe ich nicht unbegleitet,
worauf ich großen Wert hier leg,
denn treu mir an der Seite schreitet
das Meer auf diesem ganzen Weg.

Und wenn ihr meint, es würde schweigen
so stumm wie ein verkrachtes Paar,
i wo, aus seinem Bauche steigen
die Worte rasch und wandelbar!

Mal murmelt es in dumpfem Tone
Geheimnisse aus seiner Welt,
so etwa, dass Poseidons Krone
schon hier und da der Rost befällt.

Dann gluckst es mit ersticktem Lachen,
weil plötzlich es ein Seepferd sieht,
wie gleichsam es mit hundert Sachen
vor einer Sattelrobbe flieht.

Ich werd nicht müde, ihm zu lauschen,
wenn es Interna mir verrät
und aus dem hintergründ’gen Rauschen
ein leicht verschwommnes Bild entsteht.

Ein Ausschnitt nur aus diesen Weiten,
in die das Wasser sich verläuft,
doch mehr als man beim Wellenreiten
an Wissen auf sein Brettchen häuft.

Als ob das wirklich hier verfinge!
Vor dieser Flut sind alle klein.
Und wenn ich zehnmal täglich ginge:
Ein Tropfen auf den heißen Stein…

Weltspitze

Entsprechend dem Geräuschkataster
für alle Winkel dieser Welt
errang die Krone sich dies Laster
hier, wo man’s für verzeihlich hält.

Und dieses Hier ist das Ambiente
mit Sonne, Palmenstrand und Meer,
wo schon seit Jahren meine Rente
in milden Wintern ich verzehr.

Müsst ich nicht glücklich sein inmitten
von Menschen solcher Sportlichkeit,
die einen Lorbeer sich erstritten,
nach dem die ganze Erde schreit?

Doch komme ich aus einem Lande
und da auch noch aus einem Ort,
wo diese Disziplin am Rande
man pflegt nur statt als Massensport.

Das muss kein Hindernis bedeuten!
Ich hör noch mal genauer hin –
es liegt wohl wen’ger an den Leuten
als mir, der ich empfindlich bin.

Und prompt zerriss die Morgenstille
ein Hammerschlag von nebenan,
dass selbst der Wecker sich, der schrille,
dahinter noch verstecken kann!

Dann folgten viele weitre Schläge,
die ähnlich kraftvoll ausgeführt,
dass ich zur besten Nervensäge
das Instrument sofort gekürt.

Doch kaum war nach gefühlten Stunden
der letzte Nagel eingerammt,
schlug meinen Ohren neue Wunden
ein Lärm, der aus dem Flur gestammt.

Das war der Trupp der kleinen Kinder,
der müd sich noch die Augen rieb,
indes wie eine Herde Rinder
man hopp! ihn in die Schule trieb.

Die Kleinen aber kaum zu hören,
nachdem die Türen zugeknallt,
doch umso kräftiger das Röhren
der Mütter mit Befehlsgewalt.

Ein Kreischen und ein Kommandieren
wie nur auf dem Kasernenhof!
Das ging mir mächtig an die Nieren,
da zu der Zeit ich gern noch pof.

Zum Glück nach kurzer Zeit vorüber.
Ich zählte grad mein letztes Schaf,
als ich erkannte, dass viel trüber
die Aussicht auf gesunden Schlaf!

Noch schlimmer als die beiden Nummern
mit dem Gehämmer und Geschrei,
versaute es mir einzuschlummern,
die Lautvariante Nummer drei.

Denn jäh die Nachbarn drauf verfielen,
noch eh erreicht ich Phase REM,
das turbulente Spiel zu spielen
„Die Reise nach Jerusalem“.

Ich glaub, mich darin nicht zu täuschen,
wenn ich mir auch kein Bild gemacht,
denn nach den steten Schleifgeräuschen
kam wohl nur dieses in Betracht.

Stühlegerück für starke Nerven.
Es schien, man sprang abrupt vom Fleck,
sich auf den nächsten Stuhl zu werfen,
und stieß dabei den alten weg!

Wer in der Bude gleich darunter
akustisch freien Zugang hat,
der wird mit einem Schlage munter
und hat sehr schnell das Spielchen satt!

Ach, wär der Lärm mir so zuwider,
dass ich ihn hier zu fliehn geneigt,
dann ließ ich mich am besten nieder
im Norden, wo man lieber schweigt.

Womöglich grade bei den Finnen,
die, ohne dass es quietscht und kracht,
ganz still, sie sagen rauhallinen,
es auch zur Meisterschaft gebracht.

Doch wer wird sich schon überwinden
zu so ‘ner Winter-Pferdekur?
Frost wird und Finsternis man finden
und nichts von span’scher Frohnatur!

Kleiderspektrum

In irgendeinem fernen Lande,
ich hab vergessen, wo es lag,
pflegt man zu wechseln beim Gewande
die Farbe jeden Wochentag.

Am Montag, hab ich noch behalten,
zieht gerne man was Gelbes an
und auf der Straße die Gestalten
fast nicht mehr unterscheiden kann.

So geht’s die ganze Woche weiter,
Orange, Grün und Himmelblau,
dass von der Regenbogenleiter
man schließlich jede Stufe schau.

Mir scheint, ein praktisches Verfahren,
das einen großen Vorteil hat:
Man geht, sich Grübeln zu ersparen,
als wandelndes Kalenderblatt.

Guck einfach nur auf Rock und Hose,
dann weißt du, was die Stunde schlägt,
und ob das kräft’ge Rot der Rose
dich heute durch den Sonntag trägt!

Dank dieser modischen Marotte,
die mehr ist als nur amüsant,
setzt niemand aus sich auch dem Spotte,
dass ihm das Spektrum unbekannt.

Ich würd sogar noch weitergehen
und diesen Menschen unterstelln,
dass sie des Lichts Natur verstehen
und seine wundersamen Welln.

Doch mag man noch so sehr sich mühen
in jenem fernen Erdenkreis –
wenn alle Kleider bunt erblühen,
wird doch nicht eine Weste weiß!

Wasser marsch!

Selbst in den Paradiesesschänken
schenkt man nicht reinen Wein nur ein,
der Herrgott, hier als Wirt zu denken,
pantscht öfter auch mal Regen rein.

Mit andren Worten: Wermutstropfen,
die manchen Erdentag vergälln,
indem sie an die Scheiben klopfen,
um feuchte Grüße zu bestelln.

So ging es achtundvierzig Stunden
sogar am Stück, in einem Guss,
zwei ausgewachsne Globusrunden
voll überflüss’gem Überfluss.

‘ne Meinung, die nicht alle teilen
(das geb ich unumwunden zu),
die als Bewohner hier verweilen
vom Urschrei bis zur Grabesruh.

Denn nach dem höllisch heißen Sommer,
der noch den letzten Halm versengt,
freut man natürlich sich noch frommer
des Himmels, der die Felder sprengt.

Die rosarote Sonnenbrille,
die der Tourist vors Auge klemmt,
verkleinert eher die Pupille
und seinen Blick ins Weite hemmt.

Der Herr vom Lauter-Krimskrams-Laden,
der auch mein Wochenzeitungsmann,
beschwor mit Leidenschaft den Schaden,
den zu viel Sonne stiften kann.

Ich war ihm mitten aus ‘nem Schauer
in seine Bude reingeschneit
und fühlte mich nicht grad als Bauer,
der „Regen, Hosianna!“ schreit.

Doch tropften seine weisen Worte
mir auch nicht ab vom Trommelfell,
ich ließ sie ein durch diese Pforte,
dass ich dem Hirn sie überstell.

Inzwischen brütet längst schon wieder
die Sonne auf dem Erden-Ei,
die Strahlen breitend als Gefieder,
dass es auch trocken gut gedeih.

Schöner Schein

Wie könnt man schmatzen, schlurfen, husten,
wär auf ‘ner Insel man allein,
ja, Winde aus dem Hintern pusten,
wo niemand pinkelt dir ans Bein!

Das, was man in der Kinderstube
dir als Benimm aufs Brot geschmiert,
es stammt ja aus der Salbentube,
mit der man die Natur kaschiert.

Wer würd sich nicht gern gehen lassen
frisch einfach von der Leber weg,
die Keule mit den Fingern fassen,
statt zu bekämpfen mit Besteck?

Stattdessen stehst du mit Krawatte
als fleischgewordener „Betreff“
an jedem Morgen auf der Matte
und machst dein Männchen vor dem Chef.

Die Hose faltenfrei gebügelt,
das Hemd manierlich zu geknöpft,
hast zivilisationsgezügelt
du dich im Stofflichen erschöpft.

Doch geht nicht geistig alles weiter
mit diesem biedren Maskenball,
damit auf der Karriereleiter
man reibungslos nach oben fall?

Ein bisschen Anstand kann nicht schaden,
das gebe ich natürlich zu,
man muss in Schlamm nicht grade baden,
damit man sich was Gutes tu.

Doch eine Uniform zu tragen,
das heißt den Standard im Büro,
scheint auch mir aus der Art zu schlagen:
Man wird zum Menschen comme il faut.

Man kümmert sich aufs Allerbeste
ums äußerliche Drum und Dran,
um eine blendend weiße Weste
und seinen Ruf als Saubermann.

Ja, grad die größten Massenschlächter,
dern Schäbigkeit zum Himmel stinkt,
warn meistens eifrige Verfechter
des Segens, den die Seife bringt.

Den Leuten gleich ins Herz zu schauen
uns mehr von ihnen offenbart,
als ob sie manchmal Nägel kauen
und sich was brabbeln in den Bart.

Doch nun genug der Weisheitslehre –
ganz frech und formlos: Ende. Aus.
Und was, wenn höflicher ich wäre?
Dann käm ein Epos dabei raus.

Nichts Neues

Nichts NeuesDer Abflug knapp, doch weich die Landung:
Zurück im Winterdomizil.
Und draußen noch die gleiche Brandung,
das immer gleiche Wellenspiel.

Das Kirchlein noch an Ort und Stelle,
die Glocken mit gewohnter Wucht.
Und auch der Hafen noch, die Quelle
von Fisch und andrer Meeresfrucht.

Die Nachbarn auf der andren Seite
sind fleißig immer noch in Gang:
Die Junge fegt in ganzer Breite
den Gehweg alle naselang.

Der Alte, wacklig auf den Beinen,
gibt weiterhin sich große Müh
und holt beharrlich für die Seinen
die frischen Brötchen in der Früh.

Im Supermarkt hier um die Ecke
fällt gleichfalls mir nichts Neues auf;
noch immer lockt die kleine Kecke
die Kunden zum Kosmetik-Kauf.

Und was lässt sich von jenen sagen,
die mir im Haus besonders nah?
Ich höre sie die Türen schlagen,
mit einem Wort, sie sind noch da.

Hat ihren Job die Zeit vergessen,
der ihr verbietet Ruh und Rast,
gedankenlos nur dagesessen
und ihren eignen Flug verpasst?

Sie hat dem örtlichen Ambiente
ja sichtlich nicht am Zeug geflickt
und ihre wandelnden Talente
in langem Müßiggang vertickt.

Nun, trotz gelegentlicher Schauer
bin heut zum Hafen ich geeilt
und sah, dass von der Molenmauer
ein Reiher still nach Fisch gepeilt.

Die galt mir immer als Domäne
der flatterhaften Möwenbrut –
bedeutet also diese Szene,
dass irgendwie sich doch was tut?

Gewiss. Doch lässt die Zeit uns warten.
Sie fällt nicht mit der Tür ins Haus.
Schier endlos mischt sie ihre Karten –
und spielt auf einmal Trümpfe aus!

Abgehoben wie immer

Gerade noch mal gutgegangen!
Wir kamen früh wie immer an –
indes am Airport solche Schlangen,
dass man es kaum beschreiben kann!

Der Koffer war zwar aufgegeben
ruckzuck und ohne Aufenthalt,
doch wie es manchmal spielt, das Leben,
das dicke Ende folgte bald.

Denn wo man mit penibler Strenge
nach Bomben und Granaten sucht,
da staute sich’s auf einer Länge,
als hätte man das Glück gebucht!

In Knäueln, Gruppen, Säulen, Massen
schob weiter sich der Menschenbrei,
rundum befummeln sich zu lassen,
ob er auch wirklich waffenfrei.

‘nen Zahnstocher man nicht mal hätte
hier heimlich durch den Check gekriegt,
weil bei der spitzen Silhouette
ein Missbrauch ja wohl naheliegt.

Da fällt’s nicht schwer, sich auszumalen,
dass ihren Preis die Sorgfalt hat,
den hier die Reisenden bezahlen
mit Wartezeit – und kein Rabatt!

Doch diese Münze war mir grade
in diesem Augenblick vakant,
drum bin ich an der Volksfassade
vorbei und bis nach vorn gerannt.

(Bin nicht mal selbst darauf verfallen,
mein guter Geist gab es mir ein,
der mich begleitet zu den Hallen,
um meines Starts gewiss zu sein.)

Hab da gefragt, ob man mir lasse
den Vortritt bitte ausnahmsweis,
da sonst ich meinen Flug verpasse
und lande auf dem Abstellgleis.

Man ließ mich in die Schlange schlüpfen
und nickte mir Verständnis zu,
ich aber („Gürtel schon aufknüpfen“)
stand glücklich vor der Checker-Crew.

Die mich, Verbotnem auf der Fährte,
betatschte, wandte und beroch
und dann den Durchgang mir gewährte.
Nur fliegen musste ich jetzt noch!

Drum hieß es, durch die Gänge hasten,
die endlos wie ein Wandertag,
um erst am richt’gen Gate zu rasten,
das, logo, ganz am Ende lag.

Als Letzten ließ man mich passieren,
dann machte man den Laden dicht.
Trotz allem: Keine Zeit verlieren,
der große Vogel wartet nicht!

Da saßen ja auch schon die Braven,
voll Ungeduld auf diesen Flug,
mit ihren Blicken mich zu strafen
für meinen schändlichen Verzug.

Ach, hätte ich doch für die Reise
‘nen Vordersitz mir ausgedacht,
dann hätte ich jetzt still und leise
mich reingezwängt und kleingemacht.

Stattdessen nun Spießrutenlaufen
auf diesem trüben Trampelpfad,
um bei der Pantry zu verschnaufen
zwei Meter vor dem Hinterrad.

So will uns wohl das Leben mahnen:
Was nützt uns selbst der klügste Schritt?
Bei allem, was wir tun und planen,
mischt auch der Zufall kräftig mit.

Bleibt damit nur noch zu ergänzen:
Erleichtert hockte ich mich hin.
Sonst weiter keine Turbulenzen.
Zum Glück, wenn ich ganz ehrlich bin.

Wieder reisefertig

Da liegt er, voll bis an die Kante,
wie’s für ‘nen Koffer sich gehört
‘ner maskulinen Reisetante,
die auf den ganzen Plunder schwört.

Er wird aus allen Nähten platzen
(wo ist ‘ne Lücke für die Schuh‘?),
doch kann mich das nur wenig kratzen,
Hauptsache ist, er geht noch zu.

Nun lungert er in seiner Ecke
und plustert sich in einem fort,
weil er für eine gute Strecke
den nötigsten Bedarf an Bord.

Indes ich meine letzten Zeilen
noch in der alten Bleibe zieh,
der, ohne seine Lust zu teilen,
ich morgen für ‘ne Zeit entflieh.

Was aber treibt mich in die Ferne?
Ob dieser Trip sich wirklich lohnt?
Leuchten bengalisch da die Sterne,
durchglüht die Nacht ein blauer Mond?

Brennt da nicht auch in hohem Bogen
und stets in einer Richtung nur,
den Leib von Flammen überzogen,
die Sonne sich durch den Azur?

Und sind es nicht die gleichen Blüten,
verschwenderisch im Land verteilt,
die ängstlich das Geheimnis hüten
vom Leben, das nur kurz verweilt?

Um von den Gipfeln ganz zu schweigen,
die buckelig im Schulterschluss
nicht in wer weiß wie Höhen steigen,
dass Ehrfurcht man empfinden muss.

Doch wenn mit seiner feuchten Zunge
das Meer am nahen Strande leckt
und mit des Sturms gewalt’ger Lunge
dich nächtlich aus den Federn schreckt,

Kannst du den Unterschied erlauschen
von Regen, der aufs Pflaster schlägt,
und einer Brandung, deren Rauschen
ein einz’ges Donnern unentwegt!

Nachbarin Amsel

Da wo ich schlafe, in der Kammer
das Fenster auf den Garten zeigt,
in dem die Amsel und die Ammer
auch noch im Herbst zum Zwitschern neigt.

Dann hallt es sogar lauter wider
als in der schönen Sommerzeit,
weil nicht mehr dämpfen ihre Lieder
die Bäume mit dem Blätterkleid.

Nach rechts trennt eine hohe Hecke
mich von des Nachbarn Heim und Herd,
die allerdings zum Lärmschutzzwecke
nicht ein Ligusterblättchen wert.

Wenn abends ich den Raum betrete
noch vor dem Schlummer irgendwann,
erschallt wie Jerichos Trompete
der Laubenplausch von nebenan.

Dabei zwei männliche Organe,
die beide mehr zum Bass tendiern
und eher ruhig, wie im Trane,
gelegentlich ein Wort verliern.

Doch wie bedächtig und besonnen
es ihrem Mund sich auch entringt,
es scheint, dass aus dem dunklen Bronnen
bisweiln ein lust‘ges Quellchen springt.

Wie ließe sich denn sonst begreifen
der engelssüße Widerhall
auf diese tiefen Orgelpfeifen
in diesem oder jenem Fall?

Dann schüttet in den höchsten Tönen
ein Mädchen sich vor Lachen aus,
als wollte es die drei versöhnen
mit Muffeln aus dem Nebenhaus.

Das schießt ihr nur so aus der Seele,
so arglos wie der Amsel Lied,
dass aus der Kammer ich mich stehle,
als wäre ich der Störenfried.